Archiv des Autors: genderrrevolte

unHEIMelig

„Unheimlich sei alles, was ein Geheimnis, im Verborgenen bleiben sollte und hervorgetreten ist.“ (Freud, Das Unheimliche, 1919/2008,143)

„Es mag zutreffen, daß das Unheimliche das Heimliche-Heimische ist, das eine Verdrängung erfahren hat und aus ihr wiedergekehrt ist, und daß alles Unheimliche diese Bedingung erfüllt.“ (Freud 1919/2008,Das Unheimliche, 165)

Den öffentlichen und privaten Bereich betreffend, schreibt Hannah Arendt, dass der Unterschied letztlich auf einen Unterschied zwischen Dingen, die für die Öffentlichkeit, und denen, die für die Verborgenheit bestimmt sind, hinauslaufe. (Arendt, Vita activa oder Vom tätigen Sein, 1994, 69) Das, was im Verborgenen ist, was vor dem Blick verborgen bleiben soll, sind Tätigkeiten, die beinahe ausschließlich Frauen ausführen. Das Heim betreffend, sind es solche, die landläufig ein Heim erst zu einem Heim machen – das Versorgen und Verschönern. Zumeist Liebesdienste. Immer unbezahlt. Kaum der Rede wert.
Ebenso das Textile. Wolle ist ein Material, das in der Öffentlichkeit nur dann zu sehen ist, wenn es zu Kleidung verarbeitet am Körper getragen wird. Die Produktion dieser Kleidungsstücke ist Frauenarbeit. Industriell gefertigte Massenware wird zu Preisen angeboten, die so niedrig sind, dass die Frauen, die sie produzieren, kaum etwas verdienen können. Von Hand gefertigte Einzelstücke sind dagegen so teuer, dass sie kaum leistbar sind. Frauen, die handarbeiten, und es sind fast nur Frauen, die es tun, tun dies für sich, meistens aber für die Familie, die Kinder. Wo wir wieder bei den Liebesdiensten sind. Bei der Nichtentlohnung.
Der Rede wert. Der Klorollenhut ist ein Symbol für das Private, das in die Öffentlichkeit drängt. Gehäkelt, Handarbeit, dazu dienend zu schmücken, das Heim heimelig zu machen. Als vergessenes Artefakt, als Abjekt, rückt er überdimensional und damit entfremdet und entfremdend in den öffentlichen Raum und transportiert die Funktion, die er im Privaten besitzt, schmückend zu verbergen, Dekoration zu sein mit der primären Aufgabe zu verstecken und dadurch Wohnungen zu zurechtgeschmückten Gespenstern werden zu lassen, zu Idyllen, Bühnen idealisierter Bilder des Selbst und der Familie. Die Maskerade, deren Symbol er ist, wird durch die überdimensionale Zurschaustellung im öffentlichen Raum entblößt. Die vertraute Heimeligkeit wird zur Unheimlichkeit.

Diesen Samstag (18.08.2012, 16 Uhr, Wallensteinplatz, 1200 Wien) stellen Antonia Wenzl und Betina Aumair von den Strickistinnen die Installation unHEIMelig vor. Die Einleitung übernimmt Brigitte Theißl.

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nomen est omen

gilt. Zum Beispiel in Italien, wo Mädchen, laut Standard nicht mehr Andrea heißen dürfen, weil Andrea ein Bubenname sei und ein Mädchen so zu nennen, würde Verwirrung ob des Geschlechts auslösen und das sei gegen das Interesse von Mädchen. Na ja, ich weiß nicht. Es gibt in Kroatien ein Dorf, das so heißt wie ich und dennoch hat das nie Verwirrung bei mir ausgelöst, ob ich vielleicht nicht doch ein Dorf bin.

Es gibt ein Kinderbuch von Oliver Wenniges mit dem Titel Prinzessin Horst. Folgendes Bild ist daraus:

Vielleicht wäre eine italienische Übersetzung davon nicht schlecht.

ba

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die ANDEREN bücher

Verdauungsleukozytose war während meiner Schulzeit schon alleine wegens des Schultyps HBLA mit dem Schwerpunkt auf Ernährung ein wichtiges Wort. Sie ist vereinfachend gesagt, dafür verantwortlich, dass wir uns aufgrund zu hoher Nahrungszufuhr müde fühlen. Wo wir bei Weihnachten wären. Das Gehirn bekommt zu wenig Sauerstoff und schaltet ab.Vor ein paar Wochen habe ich bei Freud ein wichtiges Wort gelernt, dissoziieren. Dissoziation beschreibt eine Unterbrechung des integrativen Funktionieren der Wahrnehmung aufgrund traumatischer Erlebnisse. Wo wir ebenfalls bei Weihnachten werden. Verdauungsleukozytose und Dissoziation verführen uns dazu den Fernseher einzuschalten oder die oberösterreichsichen Nachrichten zu lesen. Daniel Haas geht im Feuilleton einer faz-Ausgabe dem Erfolgsrätsel von Bestsellerautoren [sic] nach und fragt sich  darin – angesichts jener Bücher, die Bestellerlisten anführen – was Leser [sic] dazu bringt, Narkose als ästhetische Erfahrung einzustufen. Berechtigte Frage. Vor allem weil es sie gibt, die ANDEREN Bücher:

Kein Ort. Nirgends habe ich 1977 geschrieben. Das war in einer Zeit, da ich mich selbst veranlaßt sah, die Voraussetzungen von Scheitern zu untersuchen, den Zusammenhang von gesellschaftlicher Verzweiflung in der Literatur.“ Christa Wolf  beschreibt in diesem Buch die Begegnung von Karoline von Günderrode und Heinrich von Kleist bei einer Teegesellschaft. „So sprechen, als wäre es der letzte Satz, der einem erlaubt wäre.“, fordert Elias Canetti. Christa Wolf schreibt so.

Der Report der Magd von Margaret Atwood.  Spannend. Ein dystopischer Roman, der der Frage nachgeht, wer in der Zukunft die Körper der Frauen kontrollieren werde. „The Handmaid’s Tale is a novel of such power that the reader is unable to forget its images and its forecast.” (Washington Post Book World)

Orlando von Virginia Woolf. Darin lebt die Hauptfigur, Orlando, vom 16. bis ins 20. Jahrhundert,  und wechselt im Erwachsenenalter ihr Geschlecht. „Eine Romanbiographie, kunstvoll und höchst vergnüglich, denn Orlando ‚hatte eine Vielzahl von Ichs’. Eine Zeitreise durch vier Jahrhunderte, eine zauberhafte Verwandlungs- und Verkleidungskomödie voller Überaschungen.“ (Klappentext, Fischer Taschenbuch Verlag, 2007)

Die Welt der schönen Bilder von Simone de Beauvoir. „Mit Schärfe und Ironie schildert Simone de Beauvoir die Gesellschaft der Neureichen, in der Gefühle zu Werbespots werden. Die Menschen dieses Romans ersticken an den Lügen und Heucheleien der spätkapitalistischen Welt. beherrscht von Statussymbolen, von ‚schönen Bildern’.“ (Klappentext, rororo, 2008)

VIEL VERGNÜGEN!

ba

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Vertrauen in die Partnerschaft heißt unsere finanzielle Absicherung

Kurz habe ich mir heute am Bahnhof gedacht, da wird ja eine alte Ausgabe des Profils verkauft. Aber nein, das Datum ist aktuell, nur die Coverstory ist so was von gestern. „Jede zweite junge Österreicherin denkt an den Rückzug zu Kindern und Küche.“ – Ja, das gab es schon im Mai zu lesen: Ein „Ergebnis“ der Jugendmonitorstudie, einer telefonischen Umfrage (!) bei 800 Jugendlichen zwischen 14 und 24. Und noch heute erstaunt mich die Ein- und Weitsicht eines Herrn Minister Mitterlehner, trotz dieser „Ergebnisse“ den Ausbau der Kinderbetreuungsplätze weiterzuführen. Danke.
Warum auch immer diese Coverstory – sie bietet auf jeden Fall keine neuen Erkenntnisse, nicht einmal neue Klischees. Es wird alles hineingepackt, die Bobo-Psychologin und die jungen gut gebildeten Macchiato-Mütter, die Babykarenz und der Karriereknick, die wirtschaftlich motivierte Flucht in die Mutterschaft innerhalb der Unterschicht, die fehlenden Kinderbetreuungsplätze, die Evolutionsbiologie, die linksradikale Genderpolizei und der Wertekatalog.

Für einen Satz ist es allerdings wert, diesen Artikel zu lesen: Frau Margit K., 42, (Ist die echt?), schaffte es in das Top-Management einer internationalen Logistikfirma (schaffte es – würde das jemals bei einem Mann geschrieben werden?), dann kam ein Kind und sie blieb zu Hause. Sie mache sich Sorgen um ihre finanzielle Zukunft, heißt es da in diesem Artikel. Aber, und jetzt kommt es, ich zitiere wörtlich: „Da braucht es Vertrauen in die Partnerschaft.“ Yes!

ba

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Selbstverpflichtung statt Quote – allein unter Männern

Heute im Ö1-Mittagsjournal gehört: Momentan liegt der Frauenanteil im Vorstand und den Aufsichtsräten der 160 börsennotierten Unternehmen in Deutschland bei 3 %. Bis 2020 (!) soll Frauenanteil in Führungspositionen um das zehnfache auf 30 % (!) steigen. Dass das Ziel so klein und so fern ist, liegt wohl auch daran, dass der Weg  dorthin „Selbstverpflichtung der Unternehmen“ heißt. Jeder Konzern wird sich eigene Quotenziele vorlegen und jedes Jahr selbst prüfen, ob die Ziele erreicht worden sind oder nicht. Na eh.

In Österreich liegt der Frauenanteil in den Geschäftsführungen und Aufsichtsräten der Unternehmen des ATX bei 3 % und 7 %. Die Gleichstellung von Frauen in Führungspositionen ist im Corporate Governance Kodex geregelt. Nein, dieser Kodex ist kein Gesetz, sondern beinhaltet Empfehlungen. So zum Beispiel die Empfehlung Nr. 42, die besagt, dass in der Besetzung von Aufsichtsräten auf Diversität in Hinblick auf Internationalität der Mitglieder, die Vertretung beider Geschlechter und die Altersstruktur, geachtet werden soll. Wird nicht darauf geachtet, muss diese Nichteinhaltung nicht einmal erklärt werden. Na eh.

In Norwegen wurde 2004 eine gesetzliche Quotenregelung eingeführt. Verwaltungsräte (Verwaltungsräte sind in Norwegen gleichbedeutend mit der Geschäftsführung, sind aber auch für die Überwachung und Kontrolle zuständig) staatlicher und privater Aktiengesellschaften und  staatlicher Gesellschaften mit beschränkter Haftung müssen zu mindestens 40 % aus Frauen und Männer bestehen. Das Gesetz trat 2006 in Kraft, für schon bestehende Unternehmen betrug die Übergangsfrist zwei Jahre, neue Unternehmen mussten die Bestimmung schon zu ihrer Gründung erfüllen. Sanktioniert wird eine Nichterfüllung der Quote mit einer monetären Verwaltungsstrafe. Wird die Quotenregelung nach Ablauf einer einmaligen Fristerstreckung (in der Regel 4 Monate) nicht nachgekommen, wird eine Zwangsliquidation eingeleitet. Die Erfüllungsquote der Unternehmen liegt bei 93 %, der Frauenanteil in den Führungspositionen bei 42 %. Eben.

ba

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„Arbeit ist eine Beschäftigung, für die man Geld bekommt, und hat man keine Arbeit, so hat man auch kein Geld.“

Die Schülerin, die diese Aussage 1986 als neunjährige bei einem IG Metall-Wetbewerb zu Thema Arbeit getätigt hat, ist jetzt an die 33 Jahre alt und wird, falls sie überhaupt im monetär vergüteten Arbeitssektor tätig ist, zu jenen Frauen gehören, die ab morgen statistisch gesehen gratis arbeiten. Im bundesweiten Durchschnitt. Lebt sie in Wien, wird sie „erst“ ab dem 15. Oktober gratis arbeiten, lebt sie hingegen in Vorarlberg, arbeitet sie schon seit 6. September unentgeltlich.

Der Equal-Pay-Day-Kalender ist eröffnet!

Wann der Equal-Pay-Day, also der Tag der Entgeltgleichheit, „begangen“ wird, hängt davon ab, wie groß die Einkommensdifferenz im jeweiligen Bundesland ist. Österreichweit liegt die Einkommenschere im Durchschnitt bei 24,3 %. Frauen verdienen also nach wie vor knapp ein Viertel weniger als Männer. Männer haben statistisch gesehen bereits am 4. Oktober jene Geldmenge verdient, für die Frauen noch bis zum 31. Dezember arbeiten müssen.

Für alle, die sagen, dass der Equal-Pay-Day ja bereits gewesen wäre, nämlich am 13. April, ja, das stimmt. Mit diesem Datum wurde der Tag markiert, bis zu dem Frauen noch arbeiten mussten um das selbe Geld verdient zu haben, das Männer bereits am 31. Dezember 2010 hatten. Nicht immer ist Arbeit also eine Beschäftigung, für die man Geld bekommt – schon gar nicht frau!

Gleicher Lohn für gleichWERTige Arbeit!

Das ist die Forderung, die Frauen schon seit 83 – in Worten: DREIundACHZIG – Jahren stellen. 1928 bereits forderte Käthe Leichter auf dem ersten Gewerkschaftskongress in Österreich, der sich mit Frauenarbeit beschäftigte, „gleichen Lohn für gleiche Leistung“. Wir können natürlich noch einmal 80 Jahre, in das Jahr 1848, zurückgehen, zum Wiener Sturmjahr, in dem der erste organisierte Frauenprotest in Österreich gegen Lohnkürzungen von Frauen stattgefunden hat.

Im europäischen Vergleich schneidet Österreich, was die Einkommensschere zwischen Frauen und Männern betrifft, besonders miserabel ab. Von allen Ländern des Europäischen Raumes, in denen Daten erhoben wurden (die letzten stammen von 2009), findet sich Österreich an vorletzter Stelle. Nur in Tschechien ist die Differenz im Bruttostundenlohn von Frauen und Männern noch höher.

Bringt uns Kuchen der Entgeltgleichheit näher?

Am 13. Oktober, also zwei Tage vor dem Equal-Pay-Day in Wien, findet eine „große Kuchenaktion“ unter dem Motto „Holen Sie sich ein Stück vom Kuchen“ in der Meidlinger Hauptstraße organisiert von der Wiener Frauenstadträtin, statt. Um 10 Uhr wird Frau Frauenberger den Kuchen persönlich anscheiden.

Aber Genossinnen, wollen wir uns wirklich mit Kuchen abspeisen lassen? Nein! Wenn schon Kuchen, dann seine Kalorien in der doppelten Menge Gold aufgewogen!

Solidarischfemininistische Grüße,

ba

Die Aussage der Schülerin ist zitiert nach  einem gleichnamigen Aufsatz von Gisela Notz (2010), in: Frauen im 21. Jahrhundert.

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Nein, Evelyn Fox Keller ist nicht tot

Die Wochenendausgabe der Wiener Zeitung widmet der Gender-Wissenschaftlerin und Physikerin Evelyn Fox Keller eine ganze Seite. Dass ich daraus schließe, dass sie entweder gestorben sein, den Nobelpreis oder die österreichische Staatsbürgerinnenschaft bekommen haben muss, sagt natürlich nichts über die gewohnte mediale Nicht-Präsenz dieses Themas und der sich mit ihm beschäftigenden Personen aus.

Gut die Hälfte des Artikels bemüht sich um die Darstellung ihres Lebens. Dass sie dabei von außergewöhnlich vielen Männern umgeben war, die auf ihre mathematischen Talente aufmerksam wurden, ihre Spezialbegabung erkannten und sie förderten, kann wahr sein, was dann um so deutlicher werden lässt, wie wenig die naturwissenschaftliche Forschung von Frauen besetzt war/ist. Irritierender finde ich Aussagen wie jene, dass sie Weltklassewissenschafter (wohl kein generisches Maskulinum) auch persönlich kennen lernte, sobald aus ihr eine interessante Gesprächspartnerin geworden war. Und – noch viel irritierender – jene Anmerkung, dass Fox Keller auf keinen Fall so werden wollte wie Barbara McClintock, eine Botanikerin und Genetikerin, die 1983 den Nobelpreis bekam, nämlich unverheiratet seiend = privates Schicksal und lange Spaziergänge machend = einsam. „EFK unternahm dann einen sehr entschiedenen Versuch, dem privaten Schicksal von Barbara McClintock zu entgehen: sie traf den Mathematiker Joseph Bishop Keller, sie heirateten und hatten in den nächsten Jahren zwei Kinder.“ Wie so oft im Leben, das kein Märchen ist, sind weder Prinz, Pferd noch die Haare der Prinzessin echt, „die Ehe wurde geschieden und EFK war unter die im akademischen Umfeld häufigen alleinerziehenden Mütter geraten.“

Nach diesem traurigen Teil ihrer persönlichen Biographie, wendet sich der Verfasser des Artikels ihrer Forschung zu. In ihrer Forschung, so erfahren wir, „geht es EFK um mehr als das Zusammentragen weiterer Bausteine zur Dokumentation der Benachteiligung von Frauen auch in der Wissenschaft – zur Erweiterung der Basis weiterer Übungen zur abermaligen Beweinung der Gräuel der männlichen Dominanz“. Kein Wunder dass sie so „die höchste Form der Anerkennung gefunden [hat], die ein für das breitere Publikum schreibender Autor [sic!] finden kann: Zwei der weltersten Autoritäten [!] auf diesem Gebiet haben dem […] Buch Besprechungen gewidmet.“ Muss dazu gesagt werden, dass diese beiden weltersten Autoritäten [!] Männer sind? Fox Kellers Forschung nimmt nach dem biographischen Abriss nur vermeintlich den restlichen Teil des Artikels ein. Tatsächlich widmet sich ein Großteil davon der Veranschaulichung ihres Forschungsbereiches durch Bespiele einer dieser beiden  weltersten männlichen Autoritäten. Dass ich diesen Beispielen nicht folgen kann, liegt sicher daran, dass ich eine Frau bin.

Fazit des Artikels: Nicht überall wo feministische Wissenschaft drauf steht, ist feministische Wissenschaft drin.

ba

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Und sie dreht sich doch nicht oder Einblick in eine androzentrische Kosmologie

Die aktuelle Profilausgabe nimmt die Freilassung von Strauss-Kahn, der Mitte Mai u.a. der versuchten Vergewaltigung angeklagt worden ist, zum Anlass für eine Coverstory mit dem Titel „Was den Mann treibt“, die sich, so die zusätzliche Information auf der Titelseite, damit befasst, warum Männer für Sex alles riskieren.

Dabei ist die sprachliche Aufbereitung der Titelgeschichte (die noch nicht gewonnene Schlacht des Angeklagten oder die Klägerin, die keine brauchbare Waffe mehr sei, der Charakter-Bankrott der Klägerin) das kleinere Übel. Vielmehr geht es um den darin befindlichen Grundton, der auch in Worten dargelegt wird: Denn weniger geht es in dem Artikel darum, was Männer dazu treibt Frauen zu vergewaltigen, sondern um Männer, denen „Frauen zum Verhängnis geworden“ sind (S. 68). Dieser Grundton realisiert sich auch in der Auswahl der die Titelgeschichte begleitenden Kurzartikel, wie jener Beitrag über das männliche und weibliche Gehirn und die damit verbundene Triebanatomie (Dieses Mal müssen Hormone wie Testosteron und Cortisol und die unterschiedliche Entwicklung des männlichen Gehirns als Erklärungsgründe herhalten.) und das Interview mit Catherine Millet, Autorin und Chefredakteurin einer Pariser Kunstzeitschrift.

Millet, die diese Klage als „feministisches Cinderella-Märchen“ bezeichnet, vertritt die Meinung, dass Frauen ein für alle Mal erklärt werden müsse, dass eine Vergewaltigung nichts sei, wobei frau zu Tode komme, sondern etwas, nach dem frau wieder aufstehen, sich waschen und ihr Leben wieder aufnehmen könne. Es sind unter anderem wohl Ansichten wie diese, die dafür sorgen, dass in Österreich so wenige Frauen, denen Männer sexuelle Gewalt antun, eine Anklage wagen.

Angesichts solcher Titelgeschichten ist meiner Meinung nach der Zweifel, ob sich die Erde tatsächlich dreht, ein durchaus angebrachter.

ba

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Eingeordnet unter Gesellschaft, Gewalt, Medien, Persönlichkeiten, Sexismus, Wissenschaft

Doppelmoral

Zu lesen heute im Standard ist über den Beschluss eines neuen Gesetzes zur Regelung der Prostitution in Wien, das diesen Donnerstag vom rot-grünen Landtag verabschiedet werden soll.

Kernstück der Gesetzesänderung wird sein, dass Straßenprostitution nicht mehr in Wohngebieten stattfinden darf. Was dabei also Wohngebiet gilt, ist noch nicht endgültig geklärt. Vorläufig gilt als Wohngebiet eine Fläche, die mehrheitlich mit Wohngebäuden bebaut sind. Neben den erlaubten Bereichen, die noch nicht fix sind, im Gespräch ist der Prater oder Auhof, können unter bestimmen Voraussetzungen zusätzliche Erlaubniszonen geschaffen werden. Welche Voraussetzungen das sein können und wo die Erlaubniszonen dann sein werden, ist ebenfalls noch nicht sicher.

Weiters sieht das Gesetz vor, dass Prostitutionslokale einer behördlichen Meldepflicht unterliegen, Prostituierte sich bei Urlaub (!) und/oder Berufsunterbrechungen nicht mehr polizeilich abzumelden haben und Freier nun, die außerhalb der erlaubten Zonen Kontakt mit Prostituierten aufnehmen, bestraft werden können (können!) (bisher wurden nur die Prostituierten bestraft).

Die Gefahren, die darin verborgen sind, den Straßenstrich in abgelegene Gegenden zu verlagern, liegen darin, dass die Prostituierten noch größeren Gefahren ausgesetzt sind (weil unbewohntes Gebiet) und die Polizei noch weniger Präsenz und somit Schutz sein kann (weil unbewohntes Gebiet häufig auch uneinsichtiges und schwerer zugängliches Gebiet ist).

Was weiterhin nicht geklärt bzw. aufgehoben wird, ist die so genannte „Verletzung der guten Sitten“. Prostitution ist in Österreich grundsätzlich erlaubt, der Vertrag zwischen Prostituierten und ihren Freiern ist ein „sittenwidriger Vertrag“. Zur Folge hat dies für die Frauen (90 % der Prostituierten sind Frauen), dass sie, wenn ein Freier nicht zahlt, diesen Lohn nicht einklagen können. Gleichzeitig gelten Prostituierte aber seit 2000 als Neue Selbständige und sind somit verpflichtet ihr Einkommen zu versteuern. Dennoch fehlt nach wie vor eine Anerkennung der Prostitution als Erwerbsarbeit. Somit unterliegen die Frauen keinerlei Arbeitsschutzbestimmungen.

Es gehört wohl zur Doppelmoral des Staates monetären Profit aus der Prostitution zu schlagen, gleichzeitig sich aber damit zu rühmen die Prostitution zu bekämpfen und in Wirklichkeit doch nichts anderes zu tun als den Schein zu wahren mit einem hohen Preis, den aber eh die Prostituierten zu zahlen haben.

ba

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Wie weit ist „weit“?

Hat uns diese Frage vor allem in früheren Jahren in ihrer abgewandelten Form beschäftigt, nämlich wie weit ist „nicht mehr weit“, soll sie uns heute in Bezug auf unsere Chancen auf eine lebenslange Bindung beschäftigen. Diese sinke nämlich, wenn das Ausprobieren potentieller Lebenspartner (innen?) weit über die Zahl von zehn bis zwölf hinausgeht, auf Null. Die Angabe „weit“ ist sehr ungenau. Ungenau ist auch, was „ausprobieren“ in diesem Zusammenhang bedeutet. Also ist nach wie vor alles offen. Das aber nur am Rande.

Wirklich erstaunlich finde ich immer wieder die Versuche gesellschaftlichen Konservativismus naturwissenschaftlich zu fundieren. So ist, wie im Standard nachzulesen ist, anscheinend als Faktum biologischer Forschung bzw. biologistischer Auslegung zu akzeptieren, dass ein Mann in heterosexuellen Paarbeziehungen größer als die Frau zu sein hat, dass Frauen attraktiv dafür weniger intelligent zu sein haben, dass Männer beruflich gut positioniert sein müssen usw. Und was das Fass zum Überlaufen bringt: Das Ziel von all dem ist eine lebenslange Beziehung mit vielen Kindern darin. Darob wird sich die Kirche/ÖVP aber freuen!

Die Rolle der Geschlechter bei der Fortpflanzung und die Bedeutung der körperlichen Unterschiede zwischen Frau und Mann darin, sind in der Biologie seit jeher zentrale Aspekte. Dass dabei die Arbeiten der Forscher_innen und Wissenschaftler_innen Kinder ihrer Zeit sind, die Theorien und Fakten also, die sie entwickeln und produzieren, nicht zu trennen sind von der Weltsicht ihrer Zeit, bleibt unerwähnt. Und so stellt sich angesichts dieser Forschungsergebnisse die Frage, wo Forschungsbeobachtung und normative Setzung ineinander über gehen, wo patriarchale Vorstellungen, Ideologien und Irrtümer zu Fakten erhoben und wo Normen und Tatsachen miteinander vermischt sind?

Und zum Schluss bleibt nur zu sagen, wir können alle nichts dafür, es ist die Biologie!

ba

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