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Die Prinzessin als Maschinentechnikerin

„Wer erfindet die solarbetriebene Kutsche? Die Prinzessin selbst! Denn Naturwissenschaften und Technik sind nicht länger Erpacht der Prinzen.“ Mit diesem Text wirbt das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung in der aktuellen Ausgabe des Stadtmagazins „Biber“ für die verschiedenen „Frauen in die Technik“-Programme. Mit unzähligen Programmen und Veranstaltungen wird in Österreich seit Jahren versucht, junge Frauen für einen technischen Beruf, eine HTL-Matura oder ein technisches Studium zu begeistern.

Der Hintergrund: 70 Prozent der österreichischen Mädchen wählen aus zehn (schlecht bezahlten) Lehrberufen (die Top 3: Einzelhandelskauffrau, Bürokauffrau, Friseurin) und auch an den Technischen Unversitäten studieren nur rund 20 Prozent Frauen. Der Großteil der Frauen ist dabei in Fächern wie Architektur zu finden – Maschinenbau und Elektrotechnik sind nach wie vor reine Männerdomänen. „Ingenieurinnen kommen bei uns aus Spanien, aus Finnland oder aus Osteuropa – aber nicht aus Österreich“, erzählte mir der Personalchef der AVL List in Graz in einem Interview.

Welche Ursachen gibt es für diese österreichische Schieflage? „Das liegt an den unterschiedlichen Gehirnen von Männern und Frauen“, würden Biologist_innen wohl antworten. Und dann wäre da noch die Erziehung, das Schulsystem und die Stereotype in den Köpfen der Menschen. Klar ist: Die verschiedenen Zuordnungen finden schon im Kleinkind-Alter statt. Während Mädchen Puppen vorgesetzt bekommen und sich im Prinzessin-Sein üben dürfen, konstruieren Jungen mit Bausteinen ihre erste Maschine.

Dass diese Mädchen dann auf ihrer Prinzessinnen-Ebene abgeholt werden müssen, so stellen sich das verschiedene Initiativen zu Frauen und Technik dann offensichtlich vor. „HighHeels @ HighEnd“ nennt sich ein Kreativbewerb der „TechWomen“, der nach weiblichen Vorbildern in der Technik fragte. Eingesandt wurden unter anderem Fotos von Frauen im Abendkleid mit Schraubenschüssel in der Hand, daneben ein halbnacktes Model – ausschließlich mit Kabeln bekleidet.


Foto: techwomen.at

Auch beim einen oder anderen „Tag der offenen Tür“ in einer österreichischen HTL wird für mehr weibliche Beteiligung geworben. In der HTL St.Pölten gab es so unlängst einen eigenen Stand, an dem HTL-Schülerinnen junge Besucherinnen aus der Hauptschule von ihrer Schul-Wahl überzeugen sollten. Während die Burschen durch Werkstätten führten und die hauseigene Ingenieurskunst präsentierten, konnte am Mädchen-Stand mit bereit gestelltem Werkzeug ein Anhänger für eine Halskette bearbeitet werden.

Die verschiedenen Initiativen haben eines gemeinsam: Sie sind bisher in Österreich wenig erfolgreich geblieben. Der Frauen-Anteil an technischen Schulen und Unversitäten erhöht sich nur sehr langsam und in geringem Ausmaß. „Ein Grund, warum (…) Programme zur Förderung von Frauen in der Technik wirkungslos geblieben sind ist, dass sich Frauen aktiv dagegen wehren, in technische Gebiete einzutreten und zwar deshalb, weil dies Implikationen für ihre weibliche Geschlechtsidentität hat. In der Ablehnung von Naturwissenschaft und Technik erzeugen Frauen ihre Feminität. Der Widerwille hängt mit der Definition von Technik als Männersache zusammen. Frauen, die in diese Welt eintreten, müssen sich in ihrer Weiblichkeit als bedroht ansehen“, schreibt die Technik-Wissenschafterin Brigitte Ratzer dazu in einem ORF-Science-Artikel.

Wenn also der Zugang zur Technik unter anderem von der Vergeschlechtlichung von Technik blockiert wird, warum bedienen sich „Frauen in die Technik“-Programme dann dieser vergeschlechtlichten Bilder und Metaphern? Sollte es nicht Ziel sein, einer Vergeschlechtlichung von Technik entgegen zu arbeiten? Vielleicht würde sich der Grundgedanke „Jede und jeder, der/die ein Mindestmaß an Begabung und Interesse für Technik mitbringt, kann auch einen solchen Beruf erlernen oder ein technisches Studium absolvieren“ besser eignen als Bilder von High Heels tragenden Frauen in Werkstätten. Auch sollen nicht wahllos Frauen für technische Berufe gewonnen werden, sondern es gilt, mathematisch-technisch interessierten und begabten Frauen den Weg in eine Männerdomäne zu ebnen.

Abgesehen davon, dass in der Hauptschule oder nach der Matura oft schon längst zu spät ist, wäre es vielleicht hilfreich, wenn auch das Personal an  Technische Universitäten versuchen würde, Maschinenbau oder Elektrotechnik nicht geschlechtlich zu markieren, sondern interessierten jungen Menschen näher zu bringen. Es braucht nicht (ausschließlich) Männer, die einen Rennwagen für die „Formula Student“ bauen und Frauen, die Glitzer-Mobiltelefonie entwerfen, sondern Techniker_innen, die die Forschung und Entwicklung vorantreiben. Technik hat kein Geschlecht – die Vergeschlechtlichung entsteht in historischen und diskursiven Prozessen, die es zu dekonstruieren gilt. Auch von Frauen in der Technik.

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